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Existierendes und Utopisches

Zum Abschluss dieses Kapitels möchte ich noch ein paar schon existierende Initiativen vorstellen, die ich ganz interessant finde.
Das bedeutet nicht, dass ich alle darin vertretenen Ansichten teile. Einige sind (wesentlich) radikaler als meine eigenen Vorschläge, andere einfach nur moralisierend und meiner Meinung nach mit real existierenden Menschen nicht zu verwirklichen.
Darüber nachzudenken, wo ein Haken sein könnte, oder welche Aspekte man vielleicht aufgreifen und anders realisieren könnte, kann aber sicher den eigenen Horizont erweitern.

Für die Sommerakademie 2010 von Attac habe ich eine Präsentation zur Übersicht über verschiedenste Konzepte für eine andere Wirtschaft erstellt.

Existierende Aktionen

In Europa hat sich die Euromemorandum-Gruppe aus Wirtschaftswissenschaftlern aus ganz Europa gebildet, die alternative Konzepte zum neoliberalen Mainstream ausgearbeitet haben, und regelmäßig Memoranden zur aktuellen Lage herausbringen. Im Euromemorandum 2004 heisst es unter Punkt 4 zu den Kernelementen:

"Eine grundlegende Reform der Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU mit dem Ziel, ein spezifisches europäisches Gesellschaftsmodell als Alternative zum US-Modell zu entwickeln, sollte auf folgenden Kernelementen aufbauen, über die eine breite politische Diskussion stattfinden sollte:

Vollbeschäftigung bei guten Arbeitsbedingungen und mit Löhnen und Gehältern, die ein selbständiges Leben ermöglichen,
soziale Wohlfahrt als Garantie dafür, dass niemand Armut und Hilflosigkeit ausgeliefert ist,
soziale Gerechtigkeit als Zustand ohne Diskriminierungen und ohne übermäßige Ungleichheit bei Einkommen, Vermögen oder dem Zugang zu öffentlichen Gütern und Diensten,
ökologische Nachhaltigkeit zur Erhaltung der natürlichen Grundlagen für jedes individuelle und gesellschaftliche Leben,
ausgeglichene internationale Wirtschaftsbeziehungen und wirksame Entwicklungshilfe als langfristige Bedingungen für Frieden und politische Stabilität."

Das Memorandum enthält eine Reihe konkret realisierbarer Schritte, die auf diese Ziele ausgerichtet sind, anstatt immer nur auf die "Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit" zu zielen.

Die UNO hat die Aktion Global Compact ins Leben gerufen, die in einer Zusammenarbeit von Vereinten Nationen und Konzernen sozio-ökonomische Zielsetzungen der Globalisierung definiert. Wenn die beteiligten Firmen auch von allen Zulieferern eine Mitgliedschaft verlangen, könnte sich eine Art 'Ehrenkodex' für Firmen in ähnlicher Weise durchsetzen wie Qualitätsstandards.

So lange Aktiengesellschaften aber die Verpflichtung haben, möglichst viel Gewinn zu machen, und die Aktionäre Firmenvorstände sogar verklagen können, die das nicht tun, wird diese Zusammenarbeit nicht funktionieren.

Von der anderen Seite betrachtet heißt das, dass eine verantwortliche Handlungsweise der Konzerne erst dann möglich ist, wenn die Aktionäre nicht nur darauf schauen, wo sie für ihr Geld die meisten Zinsen bekommen, sondern auch wofür das Geld verwendet wird .

Sinnvoll wäre dafür eine größtmögliche Transparenz für den Verwendungszweck von Investitionen. Man kauft nicht allgemein Anteile einer bestimmten Firma, sondern investiert in konkrete Projekte.

Jeder sollte sich darüber im klaren sein, dass jede allgemeine, möglichst gewinnbringende Investition dabei hilft dieses rein profitorientierte System zu erhalten und zu stärken.


Alternative Wirtschaftsmodelle

Es ist auch sehr wichtig, weiter nach alternativen Wirtschaftsmodellen zu suchen. Solange diese aber keine wirklich realisierbare und realistische Vorgehensweise darlegen können, halte ich es für sinnvoller die Rahmenbedingungen des bestehenden Systems zu verändern.

Ein alternatives Wirtschaftsmodell möchte ich aber trotzdem vorstellen, denn es ist schon im Einsatz und kann im Kleinen auch mit der bestehenden Wirtschaft kombiniert werden:

Regiogeld

Es gibt sehr interessante Projekte für Regionalwährungen, die in mehreren Regionen realisiert wurden. Diese Regionalwährungen gründen sich auf zwei Prinzipien:

1. Stärkung regionaler Kreisläufe
2. Verhinderung automatischer Geldvermehrung durch Zinsen

Der erste Aspekt wird dadurch erreicht, dass mit dem Regiogeld (das gegen Euro gekauft werden kann) nur in bestimmten Geschäften der spezifischen Region bezahlt werden kann.

Der zweite Aspekt ist das wirklich revolutionäre: Das Regiogeld kann sich nicht durch Zinsen selbst vermehren. Einige Wirtschaftswissenschaftler sehen den Zinseffekt als das grundlegende Hauptproblem unseres Finanzsystems . Um zu verhindern, dass das Geld einfach im Sparstrumpf dem sinnvollen Umlauf entzogen wird, verliert es mit der Zeit an Wert.

Wäre unser Finanzsystem auf diesem Prinzip der Freiwirtschaft aufgebaut, würde es von selbst die immer weitere Bereicherung der Reichen verhindern, weil mehr Geld nur durch Arbeit erwirtschaftet werden könnte, nicht durch die automatische Vermehrung von Geld.

Praktisch alle Weltreligionen verbieten die Bereicherung durch Zinseinkünfte. Die Scheichs aus Saudi Arabien benutzen finanzielle Tricks und Hintertüren um trotzdem ihr Geld zu vermehren. Im Christentum wird das Verbot mittlerweile einfach ignoriert. Noch im Mittelalter war das anders. Im Judentum ist es nur ausdrücklich verboten, von anderen Juden Zinsen zu verlangen. Darum wurden die ersten Banken in Europa von Juden gegründet, was zu einer starken Bereicherung dieser Bevölkerungsgruppe führte, und ein wichtiger Auslöser für Neid bei den christlichen Mehrheiten war. Dieser Neid war sicher mitverantwortlich für die Anfänge der Vorurteile gegenüber Juden in Europa. Das Zinssystem hat also schon viel Leid über die Menschheit gebracht.

Leider ist das Regionalwährungs-System aber noch nicht so weit ausgearbeitet, dass es das bestehende Finanzsystem ersetzen könnte. Vielleicht kommt es ja noch so weit, wenn genug Menschen sich an der Weiterentwicklung beteiligen.

Diese beiden Prinzipien lassen sich aber vielleicht auch mit einfacheren Mitteln erreichen:

1. Bevorzugung lokaler Wirtschaftskreisläufe
2. Beschränkung der Einkommens- und Vermögensunterschiede

Wer an einer alternativen Wirtschaftsordnung mitarbeiten will, oder sich nur die bisherigen Ideen ansehen möchte, kann das auf der Attac Webseite zur Alternativen WeltWirtschaftsOrdnung tun.

Man kann deren Thesen auch auf OpenTheory online diskutieren.



Letzte Anpassung: 2010-09-26